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31.01.2023

Interview mit Tharchin

Sukhavati ist für mich ein starker spiritueller Ort...

Hallo Tharchin, schön dass du in Sukhavati bist. Ein langersehnter Wunsch ist für Sukhavati in Erfüllung gegangen, dass Du hier spirituell und seelsorgerisch, wenn man das in buddhistischen Zusammenhängen das so sagen darf, unterstützt.

Wir würden natürlich als erstes gern mal fragen, warum Du diesen Ort gewählt hast?

Sukhavati für mich der Ort, der das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben repräsentiert. Ich kenne dieses Projekt schon ziemlich lange, seit ca. 2014 und habe die frühen Anfängen mitbekommen. Sukhavati ist ein starker spiritueller Ort.

Bevor ich Mönch geworden bin, habe ich über lange Jahre Sterbebegleitung gemacht. Dieser Ort mit dem neu eröffneten Hospiz ist der Ort, wo ich als buddhistischer Seelsorger Sterbende begleiten kann. In dieser Funktion bin ich für die Hospizgäste als auch für die Angehörigen tätig.

Wie du eben schon gesagt hast, als ein spirituelles Haus kann ich auch die Mitarbeitenden und alle anderen Pflegegäste oder Gäste, die so ins Haus kommen, spirituell begleiten oder unterstützen.

Kann ich eine Frage stellen, die ich hätte zuerst stellen sollen. Mich würde interessieren, was hat dich bewegt Mönch zu werden? Nicht unbedingt jeder entscheidet in sich seinem Leben dafür. Was ist deine Motivation?

Das gibt es eine lange Vorgeschichte. Mit 25 Jahren bin ziemlich krank gewesen und musste dann eine Reha-Maßnahme machen. Ich suchte immer einen ruhigen Ort, den ich nicht in der Klinik fand. Zu dem Zeitpunkt waren Kirchen für mich ruhige Orte. In dem Ort, wo ich war, gab es eine kleine Kapelle, die zu einem Kloster gehörte. Ich ging dort hin, auch in den sonntäglichen Gottesdienst. Die Nonnen dort gehörten einem Schweigeorden, den Karmeliterinnen, an. Als sie während des Gottesdienstes anfingen zu singen, ist etwas in mir angeklungen, ich hatte das Gefühl in eine Verbindung zwischen Himmel und Erde eingetaucht zu sein. Dabei hat irgendwas in mir gesagt, ich möchte als Mönch leben, habe es aber sehr lange Zeit verdrängt. Zu diesem Zeitpunkt war ich Familienvater, meine Söhne noch klein und mit der Familiengründung habe ich Verantwortung übernommen. Im Laufe meines Lebens bin ich immer wieder ernsthaft krank gewesen und habe gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, mir fehlte die spirituelle Heimat. Ende 90er Jahre bin ich auf dem Buddhismus gestoßen und habe gemerkt, hier finde ich meine spirituelle Heimat. Ich zog dann nach Berlin und wurde dort Schüler von Thich Nath Hanh. wollte in seiner Sangha Mönch werden. Doch die wurden mit über 40 Jahren nicht mehr ordiniert. Somit habe ich meinen Wunsch weiterhin zurückgestellt. Der Wunsch wurde wieder stärker und in ganz den frühen 2010er Jahren wechselte ich zum tibetischen Buddhismus.

Und jetzt möchte ich deine eigentliche Frage beantworten, warum ich diesen Weg gewählt habe. Der Buddhismus ist für mich eine Weltanschauung und als Mönch repräsentiere ich den Buddha, der uns einen Weg aufgezeigt hat, wie wir unseren Geist trainieren und zähmen können. Das Training des Geistes heißt, sich selbst kennenzulernen und gleichzeitig Mitgefühl und Weisheit zu entwickeln. Das Tragen der Roben erinnern mich an meine Gelübde. Die Falten in der Robe repräsentieren die vier edlen Wahrheiten, die der Buddha als erstes gelehrt hat.

Sukhavati wird Zentrum für Spiritual Care genannt. Was ist für dich Spiritual Care oder was erwartest du hinter diesem Titel? Wie würdest du Spiritual Care beschreiben?

Spiritual Care ist ein sehr weiter Begriff. In der Grundaussage hat er erst einmal nichts mit Religion zu tun. Spirituelle Unterstützung oder ‚care‘, was Pflege oder Sorge heißt, die Menschen darin zu unterstützen, dass sie ihren eigenen Wert für sich wieder feststellen oder entdecken, den Sinn ihres Lebens definieren oder erfahrbar machen und sie „einfach sein“ zu lassen. In unserer schnelllebigen Zeit sind diese Sichtweisen häufig verschüttet gegangen. Sie wieder zu aktivieren und auch zu artikulieren, ist für mich die Würde eines Menschen wieder herzustellen. Jeder Mensch hat eine Würde und viele sagen, sie möchten sie wieder zurück haben, und da zu schauen, sie in diesem Bereich zu unterstützen, das hat erst einmal nichts mit Religion. Es sind ganz menschliche Bedürfnisse.

Als tibetisch-buddhistischer Mönch lebe ich nach einer Ethik, die den Menschen innewohnende Würde, Werte und die Buddha-Natur zu stärken.

Du bist jetzt nicht nur für die Buddhisten im Haus zuständig, wenn jemand hier sterben würde, der nicht Buddhist ist oder einen theistischen Glauben hat oder vielleicht sogar atheistisch ist, wäre für dich auch möglich diesem Menschen im Hospiz bis zu seinem Lebensende zu begleiten?

Zuerst einmal ist die Hospizbewegung überkonfessionell und der Buddhismus im besonderen offen für alle Glaubensrichtungen. Ich persönlich bin offen für alle Menschen und da spielt spielt der Glaube überhaupt keine Rolle.

Jetzt auch mal in die andere Richtung gedacht, könntest du auch eine, wie soll ich sagen, gibt es dann auch vielleicht im Buddhismus Rituale oder eine Struktur jemanden zu waschen, wenn jetzt hier Menschen ins Haus kommen, die sagen ich bin hier in diesem Haus, weil ich auch tibetisch buddhistische Tradition mich mal so sagen darf begleitet werden. Könntest du da auch bestimmte Rituale anbieten oder bestimmte Begleitung?

Hier gilt es zu schauen, wo auf dem buddhistischen Pfad befindet sich der Mensch und was hat er praktiziert. Es gibt durchaus Praktiken, die ich nicht praktiziere. Da kann ich die spirituelle Gemeinschaft bitten, zu unterstützen. Dann gibt es Praktiken, die sowohl für Buddhisten als auch für Nichtbuddhisten geeignet sind. Insbesondere Buddhisten schätzen eine Praxis, die Phowa Praxis, die Übertragung des Bewusstseins. Wir können die Menschen vor dem Tod mit Gebetspraktiken unterstützen als auch während des Sterbeprozesses und nach dem Tod. Das Tibetische Buch vom Leben und Sterben, die moderne Version des Tibetische Totenbuches aus dem 8. Jahrhundert, ist nicht nur die Inspiration für Sukhavati, sondern auch der Leitfaden für die Sterbebegleitung.

Wie lange bist du jetzt bei uns? Hast du eine Zeitbegrenzung, bist du vielleicht wieder demnächst in deinem Kloster oder wie lange bleibst du? Hast du da schon eine Idee oder gibt da Pläne?

Ich bin seit dem 15. Juni diesen Jahres wieder zurück nach Deutschland und hier nach Sukhavati gekommen. Ich habe mich entschieden hierher zu kommen, um die spirituelle Gemeinschaft und das gesamte Team von Sukhavati zu unterstützen. Da Sukhavati, wie ich schon erwähnte, auf dem Tibetischen Buch vom Sterben und Sterben beruht, möchte dazu beitragen, dass dieses Haus ein lebendiges Haus bis über den Tod hinaus bleibt. Dieser Ort ist dafür geschaffen, das Sterben, den Tod und die Trauer in das ganz normale Leben zu integrieren. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten, indem ich den Menschen helfe, die Angst vor diesem Lebensabschnitt zu verringern.

Für uns hier ist es nicht gewöhnlich?, dass ein Mönch im Haus wohnt. Kannst du uns einen Rat geben für die, die es vielleicht nicht wissen, oder gibt es irgendwas, wie wir uns dir gegenüber verhalten sollen?

Es wird gesagt, wer einen buddhistischen Mönch oder eine Nonne sieht, der sieht den Buddha. Die Robe repräsentiert den Buddha, und die Robe darf berührt werden, aber nicht die Person, die sie trägt. Das heißt, jemand darf einen Mönch oder eine Nonne nicht umarmen, so wie hier häufig Begrüßungen praktiziert werden. Ich kann auf jemanden zugehen und diese Person mit einer Umarmung begrüßen, wenn es angemessen ist. Des weiteren ist es gut keinen Alkohol anzubieten, da das Trinken von Alkohol als toxische Substanz einer meiner Gelübde brechen würde. Auch unangemessene Rede ist etwas, was vermieden werden sollte.

Wie bist du versichert, wie bezahlst du deine Handyrechnung, was gibt es da oder welchen Regeln unterliegst du da?

Dafür gibt es keine Gelübde oder Regeln, auch da kann ich wieder auf die Tradition des Buddhas zurückgehen. Der Buddha hat, als er seinem Palast verlassen hat, sich selbst zum Mönch geweiht und damit Entsagung und Enthaltsamkeit von allen weltlichen ‚Verführungen‘ praktiziert. Er hatte kein Geld und hat von den Spenden gelebt, die Menschen ihm gegeben haben. Später, als es eine buddhistische Gemeinschaft gab, sind die Mönche mit einer Almosenschale am frühen Morgen die durch die Straßen gegangen und die Menschen haben sich daran erfreut Spenden zu geben in Form von Essbarem. In der heutigen Zeit kann auch Geld gespendet werden, damit zum Beispiel die Handyrechnung bezahlt werden kann oder sie wird von jemandem übernommen. Ebenso gilt dies für die Krankenversicherung. Auch ein Arbeitsplatz ist möglich, um die täglichen Bedürfnisse zu decken. Alles darüber hinaus widerspricht der Enthaltsamkeit.

Vielen Dank Tharchin für dieses Interview, wir freuen uns sehr das du bei uns bist.